Kinder zwischen den Fronten – alles verloren und doch ein Zuhause gefunden

Trotz wertvoller Rohstoffe gehört die Demokratische Republik Kongo zu den ärmsten Ländern der Welt. Die politische Lage ist fragil, verfeindete Rebellengruppen liefern sich blutige Gefechte – vor allem die Menschen im Osten des Landes, in den Provinzen Nordkivu und Ituri leiden.

Seit über 20 Jahren folgen Konflikte und Bürgerkriege in der Demokratischen Republik Kongo aufeinander. Über 100 bewaffnete Gruppen kämpfen in dem zweitgrößten Staat Afrikas um territoriale Machtansprüche und um die Kontrolle über natürliche Ressourcen. Angst, Hunger und Verzweiflung führen dazu, dass aktuell über fünf Millionen Menschen innerhalb des Landes auf der Flucht sind – so viele wie in keinem anderen afrikanischen Land.

Unter den Flüchtenden sind viele Familien und Kinder. Für junge Mädchen und Frauen besteht die Gefahr sexueller Übergriffe. Zahlreiche Kinder werden auf der Flucht von ihren Familien getrennt und sind sich selbst überlassen. Viele von ihnen landen in den provisorischen Flüchtlingscamps, wie in Goma (Provinz Nordkivu), wo seit einigen Jahren auch die Salvatorianerinnen tätig sind. „Viele unserer Kinder teilen das gleiche Schicksal. Sie mussten nach Überfällen der Milizen aus ihren Dörfern fliehen. Jetzt leben sie hier bei uns im Flüchtlingslager. Hier im Camp hoffen sie ihre Eltern wiederzufinden.“

Kinder und Familien im Flüchtlingslager Goma

Schmale Wege führen durch das Camp, vorbei an unendlichen Reihen von Zelten, provisorisch mit Planen errichteten Hütten. Im Zentrum des Camp treffen wir auf die 12-jährige Clementine. Sie erzählt: „Als die Rebellen angriffen, fielen überall Schüsse, Nachbarn wurden getroffen, viele starben vor unseren Augen. Unsere Eltern waren auf dem Feld. Wir hatten keine Zeit und große Angst. Mit meinen drei Geschwistern bin ich weggelaufen. Ein LKW nahm uns mit und brachte uns in der Nacht ins Camp. Wir kannten niemanden, wussten überhaupt nicht, wo wir sind. Wir haben draußen geschlafen, gebettelt und Reste gegessen.“

Diejenigen, die ihre Eltern verloren haben, werden fotografiert, die Bilder im Zentrum aufgehängt in der Hoffnung, dass Eltern und Kinder wieder zueinander finden.

Clementine und ihre Geschwister könnten jetzt im Kindergarten oder in der Schule sein. Sie könnten unbeschwert spielen und lernen. Stattdessen sind sie auf der Flucht vor einem blutigen Konflikt. So wie unzählige andere Kinder im Land haben sie bereits Gewalt miterleben müssen, die kein Kind jemals sehen sollte.

24/7 für die Hilfsbedürftigen

Zusammen mit ihren Mitschwestern und mit anderen lokalen Hilfsorganisationen engagieren die Salvatorianerinnen sich in verschiedenen Programmen, sind rund um die Uhr auf den Beinen und erreichbar.

„Die gezielte Gewalt gegen Kinder ist Teil der Kriegsführung von bewaffneten Truppen im rohstoffreichen Osten Kongos,“ erklärt uns Schwester Melpomene. „Sie dient dazu, die Gegner zu demoralisieren und die Bevölkerung zu erniedrigen – und hat für die Kinder furchtbare Folgen. Viele werden als Kindersoldat/innen rekrutiert. Sie werden entführt, mit Alkohol und Drogen gefügig gemacht und gezwungen, gegen die eigenen Dörfer oder Familien zu kämpfen und Menschen zu töten. Wenn ihnen die Flucht gelingt, brauchen sie Schutz und Hilfe. Viele sind traumatisiert und haben schwere Schuldgefühle. Nur mit viel Unterstützung kann für sie ein neues Leben beginnen.“

 

Auch sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung in diesem Konflikt. Bewaffnete Männer vergewaltigen gezielt Frauen und Mädchen. Oft so brutal, dass sie schwerste innere Verletzungen erleiden und inkontinent werden. Manche Mädchen werden schwanger von ihren Folterern und müssen – selbst noch Kind – ein Baby versorgen. Die Opfer brauchen teils Operationen und monatelange medizinische Hilfe. Auch die seelischen Wunden müssen heilen, die Frauen empfinden Vergewaltigung doch oft als Schande.

Viele Jahre leitete Schwester Melpomene die Gemeinschaften der Salvatorianerinnen im Kongo. „Ich habe unsere Schwestern in Goma wiederholt besucht – das Schicksal der Kinder hat mich stets tief berührt. So wollte ich nach dem Ende meiner Amtszeit unbedingt hierher.“

Schwester Melpomene führt uns in ein nahe gelegenes Gebäude, in dem an die hundert Kinder leben: viele Neugeborene und Kleinkinder bis zum sechsten Lebensjahr. „Es sind alles Waisen. Die Eltern dieser Kinder sind in den bei Überfällen oder auf der Flucht umgekommen oder nicht mehr auffindbar.“ Erst einmal können die Kinder bei den Schwestern bleiben, die sie versorgen und pädagogisch betreuen. Sie sollen später möglichst in einer Pflegefamilie Zuflucht finden, um an einem sicheren Ort neu anfangen zu können.

Das Leben im Kongo ist nirgends leicht, in Goma besonders herausfordernd. Doch für Schwester Melpomene ist Goma eine Mission, die sie erfüllt. „Wo könnte ich mehr tun für diese leidgeprüften Kinder.“ Während sie dies sagt, sind wir umringt von einer großen Kinderschar, von unzähligen Händen, die sich nach uns ausstrecken, von dutzenden erwartungsvollen Blicken, aber auch von viel Lachen …

„Wo könnte ich mehr tun für diese leidgeprüften Kinder.“

Sr. Melpomene in Goma

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