Indien: Aus Leben wird Überleben
Indien ist ein aufstrebendes asiatisches Land. Dieses Bild entsteht unweigerlich, wenn man auf die beeindruckenden Wirtschaftszahlen des Landes schaut. Doch spätestens seit dem Ausbruch der Delta-Variante des Corona-Virus ist offensichtlich: In Indien fehlt es an allem: Nahrung, Bildung, Arbeit und Gesundheit. Die 70 Salvatorianerinnen in Indien sind schon lange an der Seite der Schwächsten und Armen. Heute geben sie Überlebenshilfe, die wichtiger ist denn je.
Die Zahlen sind niederschmetternd: In Indien sind über 30 Millionen Menschen an Covid-19 erkrankt. 400.000 Tote sind zu beklagen. In einem Land mit Mega-Slums, in denen Hunderttausende auf engstem Raum, ohne sauberes Wasser und unter erbärmlichen Umständen leben, ist die aggressive Delta-Variante ist nur schwer zu stoppen.
Für die Menschen am Rand
Indien erlebt einen Kollaps seiner ohnehin schon brüchigen und von Gegensätzen geprägten Gesellschaft. Seit März ist das Land unter einem strengen Lockdown. Erfreulicherweise steigen die Zahlen seit Juni in Indien nicht mehr an. Doch die Kluft zwischen Wohlstand und Armut ist größer denn je. Schon vor der Katastrophe lebten 800 Millionen Menschen in Indien von weniger als zwei Euro am Tag.
Auch für die Gemeinschaften der Salvatorianerinnen in Indien bedeutet die Corona-Katastrophe einen tiefen Einschnitt. Seit vielen Jahrzehnten kümmern sie sich um diejenigen, die an den Rand gedrängt leben müssen. Dort, wo es besondere Hilfe braucht, bieten sie Unterricht für Kinder, Betreuung und Ausbildung für Menschen mit Behinderung oder sie begleiten Familien in Notsituation. Getreu des salvatorianischen Charisma: Sie hören die Hilferufe der Menschen, sehen ihre Leiden und fühlen mit ihnen den Schmerz durch ungleiche Behandlung und Diskriminierung. In dieser Situation bauen sie unablässig Brücken der Barmherzigkeit.
Die Kraft, die sie als Gemeinschaft haben, setzen die Salvatorianerinnen aktuell für die Nothilfe ein. Wenn Menschen ihr Zuhause nicht verlassen können oder kein Geld für Lebensmittel haben, verteilen sie Pakete mit dem Nötigsten und Medikamenten. Von der Regierung erhalten bedürftige Familien ausschließlich Reis. Auf dem Land können viele Bauern ihre Ernte wegen der Abriegelung nicht auf die Märkte der Umgebung bringen. Sie verlieren ihre Lebensgrundlage und ihr ohnehin geringes Einkommen. Auch hier helfen die Schwestern.
Schwester Sophy arbeitet in den Slums mit den Ärmsten der Armen. Sie sieht jeden Tag, wie schwer das Überleben für viele geworden ist. „Die städtischen Slum-Bewohner, die meisten von ihnen Tagelöhner, Lumpensammler und Bettler, haben ihre Hoffnung auf eine Zukunft verloren. Sie sind auf die Barmherzigkeit der anderen angewiesen. Ich sehe Angst und Anspannung in ihren Augen,“ berichtet Schwester Sophy in einem Brief an ihre Mitschwestern. Für sie ist es ein Trost, dass es auch in größter Not Menschen gibt, die eine helfende Hand reichen und die Arbeit der Schwestern unterstützen.
„Ich sehe Angst und Anspannung“
Auch der für Mitte Juni geplante Schulstart ist ausgefallen. Schüler beginnen das neue Schuljahr zuhause im Online-Unterricht. Doch zum einen mangelt es den meisten Familien an Computern oder Handys, zum anderen erhalten die Schulen für den Online-Unterricht kein Geld. Allen ist klar: Es wird noch Monate dauern, bis die Schwestern ihre Schulen und Gemeinschaften wieder öffnen können. In der Finanzplanung der Salvatorianerinnen in Indien klafft ein großes Loch. Die Arbeit der letzten Jahrzehnte ist bedroht. Darum bitten die Salvatorianerinnen in Indien ihre Mit-Schwestern auf der ganzen Welt und alle, die der Arbeit der Schwestern zugewandt sind, um Spenden.
„Wir unterstützen die Familien mit einem Besuch und mit unseren Gebeten in der Zeit so vieler Schwierigkeiten, Krankheiten und Probleme“, sagt Schwester Anthonila, Regionalleiterin der Salvatorianerinnen in Indien. Auch sie hofft darauf, dass die Arbeit in Indien weitergeführt werden kann.